L E B E N S L Ä N G L I C H V E R F O L G T : § 1 7 5
Am 6. Mai 1933 wurde seine enge Beziehung zu dem jüdischen Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld bei der Plünderung und Zerstörung des Hirschfeld - Forschungsinstitutes von den Nazis aufgedeckt: Die Liebesbriefe von Bruno Balz an Magnus Hirschfeld brachten den Textdichter auf die berüchtigte "Rosa Liste" der verfolgten Homosexuellen.
Magnus Hirschfeld mit Bruno Balz ca. 1919
Nazis fleddern die Bibliothek des Instituts für Sexualwissenschaft.
Foto: Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft
Das obige Foto ist diesem unten abgebildeten Buch (S. 177) entnommen.
Ausgelöst vom verschärften § 175 durch die Nationalsozialisten wurde Homosexualität ab 01. September 1935 zu einem strafbaren Verbrechen, der in seiner Konsequenz erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands ab 10. März 1994 mit der Rechtsangleichung der Bundesrepublik an die ehemalige DDR verschwand.
"Eine Strafbarkeit für Frauen wurde erwogen, aber wieder verworfen. ...
Frauen wurden nicht wegen ihrer Homosexualität verfolgt. In Deutschland fielen sie nicht unter den Homosexuellenparagraphen 175, obwohl NS-Juristen dieses immer wieder diskutiert haben. Der geschlechtsneutrale § 129 Abs. 1 b des österreichischen Strafrechts behielt allerdings auch während des Anschlusses seine Gültigkeit. Die untersuchten Gerichtsurteile gegen Frauen aufgrund dieses Paragraphen blieben jedoch in Zahl und Strafmaß unbedeutend, zumeist wurde nicht einmal die Mindeststrafe des Gesetzestextes verhängt und die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Für die These, Lesben seien unter einem Vorwand – beispielsweise als „Asoziale“ verfolgt worden, finden sich bislang nur wenige Belege. Finden sich in den Akten der Konzentrationslager Hinweise auf lesbisches Verhalten, so beziehen sich diese in allen Fällen auf Frauen, deren offizieller Haftgrund für sich genommen den Nationalsozialisten Verfolgungsgrund genug war."
Ausschnitt von Wikipedia aus dem Artikel:
"Homosexualität in der Zeit des Nationalismus"
Kurz nach der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in der Hauptstadt Berlin wurde Bruno Balz Anfang August 1936 wegen des Verstoßes gegen den § 175 während einer Razzia im Tiergarten Park nahe Bahnhof Zoo verhaftet und kam im Polizeipräsidium am Alexanderplatz sofort in Untersuchungshaft.
In Vorbereitung der Anklage übernahm der Rechtsanwalt Dr. jur. Walter Flügge die Verteitigung, der nicht verhindern konnte, dass die Arbeitserlaubnis entzogen wurde, der Name des Dichters sofort aus sämtliche Medien bis Kriegsende 1945 verschwand. Sämtliche offiziellen Fotos wurden vernichtet. Außerdem musste er am 21. September 1936 mit der linientreuen Selma Pett vor Prozessbeginn eine Zwangsheirat eingehen.
Hochzeitsportrait von Selma Balz geb. Pett am 21. September 1936
Heiratsschein für Selma und Bruno Balz von 1936.
Am 12. Januar 1937 wurde von der 2. großen Strafkammer des Landgerichts in Berlin unter der Geschäftsnummer (502) 70 KLS. 27/36 (276/36) das Urteil gegen Bruno Balz ausgesprochen: 6 Monate Einzelhaft.
Mit der Auflage zukünftig anonym arbeiten zu müssen und unter polizeilicher Meldepflicht zu stehen gewährte man ihm eine vorzeitige Entlassung. Trotz angedrohter Repressalien trat Bruno Balz nicht in die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) ein.
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Anlässlich des lang erwarteten Drehbeginns des legendären Zarah Leander Films "Die große Liebe" gab Bruno Balz im Sommer 1941 einen Empfang für das Filmteam und Kollegen aus dem Showgeschäft in seiner Etagenwohnung Fasanenstraße 60 in Berlin - Wilmersdorf.
Am Höhepunkt des glamourösen Festes wurde ein attraktiver blonder Jüngling in das turbulente Partygeschehen eingeschleust, der den Gastgeber in dessen Schlafzimmer lockte. Bruno Balz folgte und geriet in eine Falle. Als sich das ungleiche Paar im Bett umarmte, gingen die Schranktüren auf und die Szene wurde von der Gestapo (Geheime Staatspolizei) fotografisch dokumentiert.
Halb bekleidet wurde der Textdichter abgeführt. Wegen eines erneuten Vergehens gegen den § 175 kam er 3 Wochen lang in Einzelhaft und wurde in den Folterkellern der Gestapo schwer misshandelt.
In der ausweglosen Situation schrieb der Textdichter in seiner Zelle "Davon geht die Welt nicht unter!" und "Ich weiß es wird einmal ein Wunder geschehn" als testamentarischen Trost.
Ein Ersatztexter für die geplante Millionenproduktion „Die große Liebe“ wurde nicht gefunden. Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda und Leiter der Reichskulturkammer Dr. Joseph Goebbels veranlasste eine sofortige Entlassung. Der Komponist Michael Jary vertonte die zwei ursprünglichen Abschiedsgedichte für den Film "Die große Liebe". Die Hauptdarstellerin Zarah Leander traf mit ihrer Interpretation der Balz Lieder die Herzen von 27 Millionen Kinobesuchern in Europa während des II. Weltkrieges als Hoffnung auf das baldige Ende des Grauens.
Bis zum letzten Atemzug des II. Weltkrieges tönten aus allen deutschen Radios drei populäre Schlager als Endlosschleife:
"DAVON GEHT DIE WELT NICHT UNTER!" und "ICH WEISS, ES WIRD EINMAL EIN WUNDER GESCHEHN" mit der kraftvollen Stimme der Zarah Leander.
Dann folgte Heinz Rühmann ganz fröhlich: "DAS KANN DOCH EINEN SEEMANN NICHT ERSCHÜTTERN".
Auch in den Konzentrationslagern gefangener jüdischer Menschen plärrten Lautsprecher die gleichen 3 Lieder mit dem doppelten Boden: Hoffnungszeilen für die Verzweifelten und zynischer Optimismus des Hitler - Regimes, das von Weltherrschaft träumte. Am 08. Mai 1945 war damit Schluss. Nazi - Deutschland hatte den II. Weltkrieg verloren. Das zerstörte Land wurde von den alliierten Mächten besetzt. Nun wurden die Schuldigen des Grauens gesucht. Auch in der Elite der Kunst.
Eine sehr seltene filmische Dokumentation mit Bruno Balz von ca. 1982.
Der Dichter nimmt persönliche Stellung zur Doppelbödigkeit seiner Liedtexte aus der Nazi-Zeit.
Ausschnitt MDR TV Beitrag vom 11. August 2002, 20:15 Uhr
Die großen Verführer: auf den Spuren berühmt berüchtigter Lieder
Von der amerikanischen Besatzungsmacht wurde Bruno Balz als einziger Textdichter in Berlin angeklagt: er sei Hitlers Hitschreiber gewesen. Spezialist für Durchhalte - Schlager. Jene 3 Lieder standen im Focus. Der Komponist Michael Jary blieb unbehelligt. Vor Gericht hüllte sich der angeklagte Bruno Balz in Schweigen und legte eine schriftliche Kurzbiografie vor.
Handschriftliche Ergänzung von Bruno Balz als eidesstattliche Erklärung für die Prozessakte:
"Ich versichere eidesstattlich, dass ich weder der NSDAP noch einer ihrer Gliederungen angehört habe."
Der Dichter kam in Beugehaft. Einzelzelle.
Die Offenbarung seines wahren Lebenslaufes bedeutete ein endloser Konflikt mit dem Gesetz. Es ging um den diskriminierenden Nazi - § 175: strafbare Unzucht zwischen Männern, der nach dem Krieg immer noch in Kraft war. Wegen dieses Paragraphen galt Bruno Balz als vorbestrafter Krimineller.
Am 28.10.1946 wurde Bruno Balz von Mr. Karnath von der Intelligence Section ISC Branch zur Anklage vernommen. Der Textdichter konnte seine verschiedenen Verhaftungen und Gefängnisstrafen während der NS-Zeit nachweisen und klarstellen, dass er trotz des unmittelbaren Drucks durch die Nazis nie einen Auftrag erhielt Propagandalieder zu schreiben. Die Texte für die Filme hielt er steht’s so ambivalent, dass er den Nazis keinen Vorwand bot ihn eventuell zu deportieren, was ein sicherer Weg in das KZ gewesen wäre.
Mit der Entscheidung „no objection“ wurde er vom Gericht im Sinne der Anklage freigesprochen.
Als Trost für den quälenden Prozess stellte der US Richter den Kontakt zu dem amerikanischen Komponisten Irvin Berlin her, der für seinen Welthit „White Christmas“ einen deutschen Texter suchte.
Damit wurde Bruno Balz die Tür für eine erneute Karriere geöffnet. Endlich wurde sein Name als Signatur der Kreativität nach fast 10 Jahren Sperre in der Nazi Zeit wieder genannt.
Sein erster Nachkriegsfilm hieß "Zwischen Gestern und Morgen".
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Ende 2012 sind bisher unbekannte Dokumente wegen des Vergehens gegen den § 175 StGB (gleichgeschlechtliche Unzucht) betreffs Bruno Balz aus den Jahren 1953 und 1966 entdeckt worden. Durch die Details der Anzeige von 1953 kam dem beschuldigten Bruno Balz der Verdacht, dass seine Ehefrau Selma dahinter stecken könnte und bot ihr die Scheidung mit großer finanzieller Abfindung an. Doch Selma Balz lehnte ab. Die Begleitumstände dieser Anzeige verstärkten den Verdacht, dass die Gattin bereits seit Eheschließung 1936 konspirativ für die Nazis als Informantin gearbeitet haben musste. Ein Zusammenleben mit der Ehefrau war für Bruno Balz nicht mehr vorstellbar. Das Verfahren wurde später eingestellt.
Von der befreundeten Schauspielerin Romy Schneider kaufte Bruno Balz ein Baugrundstück am Hohenzollerndamm 11 in Berlin - Wilmersdorf und ließ ein Mietshaus errichten, damit dass Ehepaar Balz getrennte Wohnungen nutzen konnte. Inzwischen war der Textdichter mit dem Schauspieler und Maler Jürgen Draeger befreundet.
1966 kam es zu einer erneuten Anzeige wegen des Verdachtes der gleichgeschlechtlichen Unzucht im Sinne des § 175. Das eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen Bruno Balz wurde am 02. Dezember 1966 eingestellt. Auch bei dieser Anzeige war die Ehefrau der Auslöser.
Die Aufhebung des diskriminierenden § 175 im Jahr 1994 erlebte der Textdichter nicht mehr: nach seiner Frau verstarb er am 14. März 1988.